Seit Mitte Januar reiht sich bei Rhön Klinikum eine Hiobsbotschaft an die andere. Zunächst meldete das Unternehmen am 19. Januar, dass man für das laufende Geschäftsjahr 2017 mit strukturellen Ergebnisbelastungen im mittleren einstellen bis zweistelligen Millionen-Bereich rechnet ohne genauere Gründe zu benennen.
Am Abend des gleichen Tages gab das Unternehmen bekannt, dass der Medienberater Stephan Holzinger, der bereits seit 2013 Aufsichtsratsmitglied von Rhön Klinikum ist, in den Vorstand berufen und Vorstandsvorsitzender werden soll, während der bisherige CEO Martin Siebert, zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden degradiert werden soll. Diese Personalrochade wurde am folgenden Tag vom Unternehmen bestätigt.
Am 14. Februar gab der Konzern bekannt, für das Jahr 2016 eine bilanztechnische Wertberichtigung in Höhe von 35,5 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Finanzbeteiligung an der Marburger Ionenstrahl-Therapie Betriebsgesellschaft des Uni-Klinikums Heidelberg durchzuführen. Begründet wurde die Wertberichtigung mit operativen Verzögerungen im Rahmen der Anlaufphase des Ionenstrahl-Therapiezentrums
Zwei Tage später meldete das Unternehmen, dass der Aufsichtsrat empfiehlt den Vorstand auf 3 Personen zu verkleinern und den bisherigen CFO Jens-Peter Neumann sowie den COO Martin Menger abzuberufen.
Am 23. Februar meldete das Rhön-Klinikum Vollzug, so dass der Vorstand nunmehr aus Stefan Holzinger als CEO und CFO besteht, sowie Martin Siebert als stellvertretendem Vorstandsvorsitzenden und Bernd Griewing als Vorstand für Medizin.
Einen Tag später brachte das Unternehmen vorläufige Zahlen zum Geschäftsjahr 2016, die zwar im Wesentlichen den vorsichtigen Analystenerwartungen entsprachen, wohingegen der Ausblick für das Jahr 2017 mit einem leichten Umsatzsteigerung und einem deutlich rückläufigen EBITDA gegenüber 2016 enttäuschend war.
Interessanterweise hielt sich der Aktienkurs zwischen dem 19. Januar und dem 23. Februar relativ stabil bei 25 bis 26 Euro. Erst am Tag der Meldung über die vorläufigen Geschäftszahlen für 2016 und des Ausblicks für 2017 gab der Aktienkurs signifikant um knapp 10% nach. Der Grund für den zuvor stabilen Kurs trotz einer Aneinanderreihung von negativen Meldungen dürfte die Tatsache gewesen sein, dass der Großaktionär B. Braun aus Meldungen in dem Zeitraum mehrfach Aktienkäufe im großen Maßstab zu Kursen zwischen 25 und 26 Euro gemeldet hatte und somit den Kurs stützte. Am 27. Februar meldete der gleiche Aktionär ferner einen interessewahrenden Kaufauftrag über eine Million Aktien bis zu einem Kurs von maximal 24,50 Euro.
Die sich überschlagenden Ereignisse sind Ergebnis eines offenbar seit Monaten schwelenden Streits zwischen dem Gründer und Aufsichtsratschef Eugen Münch auf der einen Seite und dem Vorstand, insbesondere mit dem bisherigen CFO Neumann auf der anderen Seite. Dem Vernehmen nach will Münch den Konzern mit neuester Hochleistungsmedizin und neuen IT-Systemen aufrüsten und zur führenden Adresse von datenbasierter und vernetzter Medizin ausbauen. Der bisherige Vorstand argumentierte hingegen, dass mit diesen Investitionen die Margenziele in den nächsten Jahren nicht zu halten seien und quittierte die Pläne mithilfe der Gewinnwarnung vom 14. Februar. CFO Neumann bemängelte wohl, dass Rhön Klinikum nach dem Verkauf der Mehrzahl der Kliniken an Fresenius vor einigen Jahren zu klein sei, um eigenständig die notwendigen Investitionen stemmen zu können und dabei weiter profitabel zu arbeiten. Insbesondere das Uni-Klinikum Giessen-Marburg, dass zwar rund 50% des Konzernumsatzes beiträgt, aber nur gering profitabel arbeitet, erweist sich durch seine Abhängigkeit von öffentlichen Fördergeldern als Klotz am Bein. Die Umsetzung von Münchs Plänen würde die Liquidität des Unternehmens um rund 45 Million Euro pro Jahr verringern, so dass eine Dividendenkürzung unausweichlich erscheine.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem außenstehenden Betrachter geradezu surreal, dass das Unternehmen an der Börse mit dem 40-fachen des für das Jahr 2017 geschätzten EBIT bewertet wird sowie dem 50-fachen KGV. Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht über ein hochprofitables Wachstumsunternehmen wie Google oder Facebook, sondern über eine angeschlagene Klinikkette, die sich lediglich innerhalb des starren Rahmes des staatlichen Gesundheitssystems bewegen kann.
Erklärbar ist die Bewertung letztlich nur durch einen Machtkampf, der sich unter den Großaktionären des Konzerns abspielt. Gründer und Aufsichtsratschef Münch hält nach seiner letzten Stimmrechtsmitteilung knapp 20%. Die konkurrierende Klinik-Kette Asklepios kommt auf rund 18%. Unklar ist die Rolle des Medizintechnikunternehmens B. Braun aus Melsungen, dem nach der letzten Stimmrechtsmitteilung rund 23% von Rhön Klinikum gehören und durch die Zukäufe in den letzten Wochen unmittelbar vor der meldepflichtigen 25%-Schwelle stehen dürfte. Zudem ist Braun durch seinen Eigentümer Ludwig Georg Braun im Aufsichtsrat von Rhön Klinikum vertreten.
Sollte Braun die Position des Gründer und AR-Chefs Münch unterstützen, wäre ein Übernahmeangebot denkbar. Für die außenstehenden Aktionäre ist allerdings wahrscheinlich keine signifikante Prämie drin, da angesichts der horrend hohen Bewertung nicht viel mehr als der gewichtete 3-Monatsdurchschnittskurs geboten werden dürfte. Ausschließen lässt sich aber auch ein Delisting nicht. Dies hätte für das Duo Münch / Braun den Vorteil, dass sie Rhön Klinikum abseits des Drucks der quartalsweisen Berichterstattung und von außenstehenden Aktionären restrukturieren könnte und Münchs Investitionspläne umgesetzt werden könnten. Späteres erneutes Listing oder Verkauf der Gesellschaft mit Gewinn nicht ausgeschlossen.
Sollte Braun allerdings mit Asklepios gemeinsame Sache machen, könnte Asklepios Rhön Klinikum bargeldschonend via Sacheinlage übernehmen. Auch in dieser Konstellation wäre für die außenstehenden Aktionäre kurzfristig nichts zu holen. Aber auch die Investitionspläne von Herrn Münch wären obsolet.
Während die Klinikkette also aufpassen muss, dass sie in dem undurchsichtigen Machtspiel nicht zerrieben wird, scheint trotz der spannenden Situation für die außenstehenden Aktionäre nicht viel zu holen zu sein.