Der neue Anlauf hat sich ausgezahlt. Vor zwei Jahren hatte Finanzinvestor Cinven schon einmal versucht, seine Mehrheitsbeteiligung an den Jost Werken über die Börse zu versilbern. Damals scheiterte der Plan an den volatilen Märkten. Nun sind die Aktien des Lkw-Zulieferers seit Juli an der deutschen Börse kotiert – und notieren mit einem Kursaufschlag von 65% gegenüber dem Emissionspreis. «Jost hat die Hausaufgaben gemacht», erklärt Dennis Etzel, Manager des Value-Opportunity- Fonds. «Durch das anziehende Lkw-Geschäft in den USA bekommt das Unternehmen nun auch konjunkturell Rückenwind. » Und Jost ist nicht die einzige interessante Neuerscheinung am deutschen Aktienmarkt.
Sieben Unternehmen sind im zweiten Halbjahr bislang neu an die deutsche Börse gekommen – in der ersten Hälfte des Jahres waren es noch einmal vier. Damit übertrifft das laufende Jahr schon jetzt 2016, in dem es am deutschen Markt nur sieben Neuemissionen gab, mit der RWE-Abspaltung Innogy bei einem Emissionsvolumen von 5 Mrd. € allerdings auch eine besonders grosse. Seit dem Jahr 2007 mit 25 Börsengängen lief es nur 2011 mit 12 und 2015 mit 15 IPO (Initial Public Offerings) noch besser. «Mit dem freundlichen und wenig volatilen Börsenumfeld im zweiten Halbjahr 2017 haben einige Unternehmen das Zeitfenster genutzt, um an die Börse zu gehen», sagt Fondsmanager Etzel – und verweist zugleich auf die USA, wo der Markt für Neuemissionen sich bereits wieder alten Rekorden nähere.
Klasse statt Masse:Von den sieben Neuzugängen am deutschen Markt schert nur einer aus (vgl. Tabelle). Die Aktien des Kochboxenlieferanten HelloFresh liegen seit der Erstnotiz Anfang November 13% im Minus. Eine Warnung hätte das IPO von Blue Apron in den USA Ende Juni sein können. Wie HelloFresh vertreiben die Amerikaner Kochboxen – und haben seit dem IPO 70% an Wert verloren. Amazon, so die Befürchtung, könnte nach dem Kauf des US-Biosupermarktes Whole Foods in den Bereich einsteigen.
Ansonsten haben sich die Neulinge wacker geschlagen. Die Naga Group, seit Juli an der Börse, schiesst mit einem Plus von mehr als 400% den Vogel ab. Der Hype um die Kryptowährung Bitcoin treibt die Aktien. Spekulationen, die Fintech- Gruppe aus Hamburg werde ein Bitcoin-Wallet anbieten, also die Möglichkeit, Bitcoin digital zu speichern, wurden in Börsenbriefen hochgekocht und sorgten für die Kursexplosion.
Solide zahlt sich aus
Bodenständiger lief es bei den übrigen fünf Werten. Sie alle haben seit ihrem jeweiligen Börsenstart mindestens 10% oder mehr anWert zugelegt. Lkw-Zulieferer und Etzel-Favorit Jost Werke liegt mit den 65% vorne. Der Fondsmanager weist auf die Unterbewertung im Vergleich zum Wettbewerber SAF-Holland hin. Ein weiterer Favorit sei Voltabox. Das sieht auch Tobias Lütke so, Deutschlandspezialist beimWertschriftenhaus Kepler Cheuvreux. Der Batteriehersteller Voltabox beschreibt sich selbst als Pionier in Sachen Elektromobilität. «Voltabox bedient sehr interessante und schnell wachsende Nischen und sollte starkes Wachstum zeigen », erklärt Lütke, «vorausgesetzt, die IPO-Gelder können schnell genug in Produktionskapazitäten investiert werden.»
Der dritte Favorit der beiden Börsenkenner ist Befesa. Das spanische Unternehmen mit deutschen Wurzeln recycelt Wertstoffe aus der Stahl- und Aluminiumindustrie. Einen Grossteil des Geschäfts macht Stahlstaub aus, Befesa kauft ihn Stahlkonzernen ab und gewinnt daraus Zink. Das Metall verkauft sie unter anderem an Rohstoffhändler wie Glencore. «Die Bewertung von Befesa erscheint mir in Anbetracht der prognostizierten freien Cashflows der kommenden Jahre sehr attraktiv», sagt Lütke. Dazu kämen als Argumente das strukturelle Wachstum sowie der defensive Charakter des Recycling-Marktes.
So spannend die Frischlinge an der Börse auch sind: Sie spielen in Nischen. Der grösste Wert der sieben ist mit einer Marktkapitalisierung von gerade einmal knapp mehr als 1 Mrd. € Befesa.
2018 wird noch spannender
Das IPO-Geschäft dürfte für dieses Jahr gelaufen sein. «Ich erwarte für den Rest des Jahres eine Abkühlung der IPO-Aktivität », erklärt Kepler-Cheuvreux-Mann Lütke. Die Volatilität sei zurück am deutschen Markt; gepaart mit einer nachlassenden Gewinndynamik sorge das wieder für wachsende Nervosität bei institutionellen Investoren. Grössere Börsengänge werden erst für das nächste Jahr erwartet – dann aber gleich einige.
Deutsche Bank plant das IPO ihrer Vermögensverwaltungssparte, Siemens das der Medizintechnik. Auf dem Kurszettel könnten neu auch Knorr Bremse und der Wissenschaftsverlag Springer Nature stehen, beide ebenso grösser als Befesa. Fondsmanager Etzel: «Sollte das Börsenumfeld mitspielen, könnte 2018 ein sehr spannendes IPO-Jahr werden.»