Auch wenn das US-Repräsentantenhaus jetzt wegen Verfahrensfehlern noch einmal über die Steuerreform abstimmen muss, man darf an diesem 20. Dezember 2017 wohl konstatieren: Donald Trump hat nach fast einem Jahr Amtszeit mit der größten Steuerreform in den USA seit mehr als dreißig Jahren sein erstes großes Wahlversprechen endlich eingelöst. Auch wenn Trump selbst die Reform als „gigantisch“ bezeichnet, sind nur noch Teile des ursprünglich angedachten Maßnahmenpaketes am Ende übrig geblieben, um die hauchdünne Mehrheit der Republikaner im Senat nicht zu gefährden. Die Reform entpuppt sich bei genauem Hinsehen als ein reines Steuersenkungsprogramm für Unternehmen. Der Gewinnsteuersatz für Unternehmen sinkt zwar nur noch auf 21 Prozent statt der geplanten 20 Prozent, aber das Paket ist damit nicht nur ein Weihnachtsgeschenk für die amerikanische Wirtschaft, sondern ein ganzes Konjunkturprogramm. Die Gewinne der S&P500-Unternehmen könnten sich allein durch die steuerlichen Entlastungen um 13,5 Prozent erhöhen, so dass die Konsensschätzungen für 2018 von 140 auf 159 US-Dollar Gewinn je Aktie steigen.
Welche Auswirkungen die US-Steuerreform auf die deutsche Wirtschaft haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer abzuschätzen, da hier viele gegenläufige Effekte eine Rolle spielen. Einerseits ist das protektionistische Element der Reform nicht von der Hand zu weisen, verschafft sie doch US-Unternehmen klare Wettbewerbsvorteile gegenüber der europäischen Konkurrenz. Somit dürfte die Reform den internationalen Steuerwettlauf noch verschärfen. Es ist daher kein Zufall, dass der Industrieverband BDI nun Alarm schlägt und auch Verbesserungen im deutschen Unternehmenssteuerrecht fordert.
Andererseits kann aber gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft indirekt von sinkenden Unternehmenssteuern in den USA profitieren. Zumindest gilt dies – auf den ersten Blick – für eben diese Firmen, die einen hohen Exportanteil in die USA haben. Denn durch die Steuerentlastungen der US-Unternehmen steigen auch deren Investitionsbereitschaft und damit die Nachfrage nach Investitionsgütern wie Maschinen „Made in Germany“, die in den Produktionsprozessen der US-Unternehmen eingesetzt werden.
Aber diese Einschätzung könnte zu kurz greifen. Viel wichtiger für einen positiven Steuereffekt wird nämlich sein, dass die deutschen Unternehmen lokal in den USA produzieren, in den USA verkaufen und damit einen Gewinn erzielen. Als Profiteure auf dem deutschem Kurszettel kommen somit als erstes die deutschen Autohersteller BMW und Daimler in Frage, samt ihrer breiten Basis an Zulieferern, die ihre Werke aufgrund der logistischen Anforderungen immer in der Nähe der Autohersteller haben.
Allerdings scheint sich nach Hintergrundgesprächen mit einigen Unternehmen im deutschsprachigen Raum der Einfluss der US-Steuerreform auf ihre Gewinnentwicklung ebenso zu relativieren. Viele Unternehmen haben ihre Steuerbelastungen bereits so optimiert, dass sie ohnehin nicht den Spitzensteuersatz in den USA zahlen und dadurch nur geringfügig von weiteren Steuersenkungen profitieren dürften.
Somit könnte es unter dem Strich nur bei einem kurzfristigen positiven Stimmungseffekt für deutsche Börsenwerte bleiben, wenn der amerikanische Markt die Steuerreform bejubelt. Mittelfristig dürfte sich jedoch der entstehende Wettbewerbsnachteil in den operativen Ergebnissen der deutschen Firmen niederschlagen und die Rufe nach Unternehmenssteuerreformen in Europa lauter werden.