So viele Börsengänge gab es schon lange nicht mehr bei den Nachbarn. Im ersten Halbjahr wagten dreizehn Unternehmen ein IPO (Initial Public Offering) an der Deutschen Börse. Schon jetzt fast so viele wie in den Jahren zuvor insgesamt. «Das erste Halbjahr war gemessen an der Zahl der Unternehmen das beste seit der Finanzkrise – bezogen auf das Emissionsvolumen sogar seit der New Economy», sagt Dennis Etzel, Manager des Value-Opportunity-Fonds. Das zweite Halbjahr indes wird da kaum mithalten.
Schon jetzt trübt sich die Stimmung ein. Der Handelsstreit mit den USA sowie das Aufflackern der Eurokrise sorgen für Unsicherheit bei den Investoren. Anhaltender Mittelabfluss aus europäischen Aktienfonds zugunsten der USA würde die Skepsis der Anleger bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Alten Kontinent spiegeln, heisst es in einer Analyse von PwC. «Der Markt ist spürbar volatiler geworden», sagt Nadja Picard, Partnerin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Investoren würden defensiver agieren.
Insgesamt 6,5 Mrd. € haben die dreizehn Neulinge an der Börse im ersten Halbjahr eingeworben. Schon jetzt deutlich mehr als in den Vorjahren. Der Schwerpunkt dabei lag deutlich im ersten Quartal. In diesem Zeitraum wurden 88% der Mittel eingenommen. Das Gros ging an die beiden Schwergewichte Healthineers und DWS. Beide wurden im März von ihren Mutterkonzernen Siemens beziehungsweise Deutsche Bank getrennt.
Anspruchsvolle Investoren
Obschon die Zahlen rekordverdächtig anmuten: Der Weg zur Börse wird steiniger. «Das Bookbuilding konnte häufig nur am unteren Ende der Spanne geschehen», erklärt Fondsmanager Etzel. Mit nur einer Ausnahme: Sicherheitsspezialist Cyan wählte das Börsensegment Scale für sein IPO, ein auf kleinere und mittlere Unternehmen zugeschnittenes Handelsumfeld der Deutschen Börse. Cyan war in der ersten Hälfte dieses Jahres die einzige Gesellschaft, die einen Preis am oberen Ende der Bookbuildingspanne ansetzen konnte. Godewind Immobilien platzierte Aktien im Festpreisverfahren. Die Übrigen mussten alle Eingeständnisse machen beim Bookbuilding, bei dreien lag der Emissionspreis am unteren Ende der Spanne.
Die Neuzugänge Nfon und Capsensixx gaben weniger Aktien aus als ursprünglich geplant. Der Lieferant für Kfz- und Lkw-Teile STS legte den Platzierungspreis sogar unterhalb der Preisspanne fest. Kurz vor dem Gang aufs Parkett musste das Unternehmen über eine Wachstumsdelle wegen des schwächelnden Geschäfts in China berichten. Verlagshaus Springer Nature sagte seinen Börsengang Anfang Mai wegen schwacher Nachfrage ab.
Mässige Performance bisher
Bislang war, was die Performance der Neuzugänge angeht, 2018 kein goldenes Jahr. Der durchschnittliche Zeichnungsgewinn lag lediglich bei 2,8% gemäss Auswertung des Münchner Spezialisten für Unternehmensfinanzierung Blättchen & Partner.
Auch die Performance seit dem jeweiligen IPO ist bescheiden: Neben Onlinehändler Home24 liegt nur Healthineers über 30%. Die Hälfte der Werte notiert um die Null-Prozent-Marke, viele auch darunter.
Einen Wert davon hält Fondsmanager Etzel dennoch für interessant: STS, Zulieferer für leichte und schwere Nutzfahrzeuge sowie Pkw. Das Unternehmen mit Sitz vor den Toren von München kommt seit dem IPO Anfang Juni auf ein Minus von 14%. STS habe aber volle Auftragsbücher, erklärt Etzel, was wegen der langen Lebensdauer der belieferten Fahrzeuge gleichbedeutend sei mit hoher Gewinnvisibilität. Gerade, weil das IPO missglückte, habe der Titel Aufholpotenzial. Daneben hält Etzel mit Healthineers die ehemalige Medizintechniksparte von Siemens nach wie vor für einen interessanten Wert.
Und was bringt der Rest des Jahres? «Für das zweite Halbjahr steht mit Knorr-Bremse noch ein echtes Highlight vor dem Gang an die Börse», sagt der Fondsmanager. Entschieden sei noch nichts, erklärte das Management des Familienunternehmens zuletzt auf der Bilanzpressekonferenz im März, aber eine Börsennotierung gelte derzeit als «eine vorrangig zu prüfende und voranzutreibende Option».
Weiteren Unternehmen wird Interesse nachgesagt: der Geschäftskundensparte der Telekommunikationsgesellschaft United Internet zum Beispiel, dem Modediscounter Takko oder dem Caravanhersteller Hymer. Blättchen & Partner rechnet mit bis zu sieben weiteren Börsengängen im laufenden Jahr, PwC mit fünf. PwC-Expertin Picard: «Mit dem in Deutschland sehr erfolgreichen ersten Halbjahr wird das weitere Jahr 2018 in Bezug auf das Emissionsvolumen kaum mithalten können.»