Es geht um mehr als nur Geld in der derzeit laufenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie, die heute mit so genannten Ein-Tages-Streiks in die heiße Phase eintritt. Nicht nur, dass allein diese Streiks für die betroffenen Unternehmen schon sehr teuer werden können. Sollte der Arbeitskampf dazu führen, dass die IG Metall einen Großteil ihrer Forderungen durchsetzen kann, wären harte Einschnitte für die Unternehmen die Folge. Und deshalb sollten Investoren ganz genau hinschauen, wie die Verhandlungen laufen.
Denn es geht neben einem kräftigen Lohnplus von sechs Prozent auch um eine deutlich höhere Flexibilität der Arbeitnehmer in Bezug auf ihre Lebensplanung und damit die Arbeitszeit. Die Gewerkschaft fordert, dass jeder Arbeitnehmer das Recht hat, seine Arbeitszeit zwei Jahre lang von 35 auf 28 Stunden zu reduzieren, um danach garantiert zu alten Konditionen weiterarbeiten zu können. Wer Kinder erzieht oder Angehörige pflegt, soll einen finanziellen Ausgleich dafür bekommen, dass ihm durch weniger Arbeit Lohn entgeht. Hierin steckt das größte Konfliktpotenzial. Eventuelle massive Streiks auf dem Weg zu einem Kompromiss stellen ein Risiko für die betroffenen Unternehmen dar.
Die Arbeitnehmer haben in Zeiten einer boomenden Konjunktur, Rekordbeschäftigung in Deutschland, daraus resultierend Personalknappheit und Fachkräftemangel, so viel Macht wie lange nicht in einer laufenden Tarifrunde, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ergebnis dürften daher nicht nur hohe Lohnabschlüsse sein, sondern auch zusätzliche finanzielle Belastungen für die Unternehmen, je nachdem wie ein Kompromiss beim Thema Flexibilität aussieht. Das was sich in Form der beschriebenen positiven Rahmenbedingungen an der Börse in beinahe täglichen Rekorden in MDAX und SDAX widerspiegelt, schwächt nun im Gegenzug die Verhandlungsposition der Arbeitgeber.
Zusätzlich haben vor allem die exportorientierten Firmen mit einem immer weiter steigenden Euro zu kämpfen. Marktanteile können da langfristig nur auf Basis von Preiszugeständnissen gegenüber der Konkurrenz vor allem aus dem Dollar-Raum gehalten werden. Hinzu kommen steigende Preise für Rohstoffe, die zwar teilweise durch fallende Dollar-Notierungen kompensiert werden, aber dennoch einen von drei skizzierten Belastungsfaktoren für die erfolgsverwöhnten Börsen bedeuten. Das Potenzial für Enttäuschungen im Rahmen der laufenden Berichtssaison ist durch die hohen Bewertungen der Unternehmen sehr hoch. Auch besteht das Risiko, dass die ambitionierten Ziele für 2018 im Laufe des Jahres aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen nach unten angepasst werden müssen.
Nicht vergessen werden dürfen die Effekte von hohen Lohnabschlüssen quer durch alle Branchen auf die Preisentwicklung. Noch kann die Europäische Zentralbank Ruhe bewahren, auch weil sie nicht nur Deutschland im Blick hat. Sollte es allerdings in den kommenden Monaten zu einem Aufflackern in der Inflation kommen, sind Zinsanstiege am längeren Ende in Richtung zwei Prozent nicht ausgeschlossen. Und steigende Zinsen waren mit einem gewissen zeitlichen Versatz in der Vergangenheit immer Gift für den Aktienmarkt.
Bei zunehmenden Risiken für den Gesamtmarkt lohnt sich der Blick auf die Profiteure steigender Einkommen. Wer mehr verdient, kann mehr ausgeben und das tut er vor allem für Konsumgüter und Reisen. Deshalb dürften Unternehmen aus der Touristikbranche wie eine TUI, Bekleidungsfirmen wie Boss und Verkäufer von Lifestyle-Produkten wie die Sportartikelhersteller Puma und Adidas profitieren. Letztere drei haben noch den zusätzlichen Vorteil einer Produktion im Dollar-Raum, spüren damit die Effekte von Trumps Steuerreform und können den stärkeren Euro abfedern.