Alles neu macht der September: In der grössten Reform seit Jahren ordnet die Deutsche Börse ihre wichtigsten Indizes. Umgesetzt werden die Änderungen erst im Herbst. Doch schon am Montag veröffentlicht die Deutsche Börse Schattenindizes, mit denen die anstehenden Neuerungen bereits simuliert werden. Für Anleger lohnt sich ein Blick auf diese Doppelrechnungen: «Die Indexumschichtungen könnten im Sommer von Investoren stärker gespielt werden, wenn die anderen Faktoren stimmen und es an weiteren Nachrichten mangelt», erwartet Tobias Lütke, Deutschlandexperte beim Wertschriftenhaus Kepler Cheuvreux.
Die Dax-Familie repräsentiert die wichtigsten Börsenwerte in Deutschland. Der Leitindex Dax steht für die 30 auf die Freefloat-Marktkapitalisierung bezogen grössten Konzerne des Landes, der MDax noch für die 50 nächstgrössten, der SDax für die darauffolgenden 50 Unternehmen, meist Small Caps. Der MDax wurde 1996 eingeführt, der SDax drei Jahre später. Doch wie beim Leitindex wird die Indexbasis von 1000 Punkten auf den 30. Dezember 1987 berechnet. Bislang etwas nebenher läuft der TecDax mit seinen 30 grössten Technologiewerten, ungeliebt, denn er folgte im Jahr 2003 auf den Nemax50, um damals die Erinnerung an das Platzen der Neuen-Markt-Blase aus dem Gedächtnis der Anleger zu tilgen.
Reste-Sammelsurium
Ganz gelungen ist das nie. Nun wird mit den anstehenden Änderungen der TecDax völlig entwertet. Er wird künftig ein reiner Branchenindex. «Der Technologieindex verkommt nach der Reform zum Sammelsurium von Restposten», erklärt Dennis Etzel, Manager des Value-Opportunity-Fonds. Zwar erhält der TecDax mit Softwareunternehmen SAP , Chiphersteller Infineon und der Deutschen Telekom wichtige Neumitglieder aus dem Dax – die aber weiter im Leitindex zu finden sind. Die bisherige Trennung zwischen den Segmenten «Tech» und «Classic» hebt die Deutsche Börse endgültig auf. Sie wurde allerdings bisher schon nicht stringent durchgehalten.
Kleinere TecDax-Unternehmen werden zusätzlich in den MDax oder SDax aufgenommen. Aufgrund dieser «Zweitmitgliedschaft» wird somit das Gros der TecDax-Titel ab September neu auch in einem der anderen Indizes zu finden sein. Die kleineren Indizes werden somit aufgewertet. «MDax und SDax bilden künftig einen breiteren Querschnitt durch die deutsche Volkswirtschaft», sagt Etzel. «Ein guter Schritt.» Bislang sind im MDax, aber auch im SDax, die traditionellen Sektoren der deutschen Volkswirtschaft überdurchschnittlich vertreten. High-Tech-Unternehmen kommen aktuell so gut wie gar nicht vor. «Technologiewerte werden künftig in ihrer Bedeutung aufgewertet», erklärt Christoph Gebert, Fondsmanager für Small & Mid Caps bei Warburg Invest.
Damit MDax und SDax aber nicht komplett umgemodelt werden müssen, erweitert die Deutsche Börse im selben Schritt die Zahl der Mitglieder: Es gibt darin dann ab Herbst 60 mittlere Unternehmen und sogar 70 kleinere. Der TecDax bleibt auf 30 Werte begrenzt. Da drei Dax-Tech- Aktien neu in den Index aufgenommen werden, fliegen drei raus: Wahrscheinlich werden dies Dräger, SLM Solutions und Medigene sein. Alle Werte, die den TecDax verlassen, werden sich im Anschluss jedoch im SDax wiederfinden.
Den Dax lässt die Deutsche Börse unberührt. Das hätte für den internationalen Leitindex zu viele Änderungen nach sich gezogen, erklärt ein Sprecher der Deutschen Börse. Aktuell gibt es 18 Exchange Traded Funds (ETFs), die den Dax abbilden, sowie mehr als 200 000 strukturierte Produkte. Die kleineren Indizes sind weniger beliebt: Auf den MDax gibt es nur sieben ETFs, auf SDax und TecDax jeweils zwei. Da die Deutsche Börse an Gebühren verdient, wenn die Indizes künftig stärker gefragt sind, erklärt auch das die Reform. Offiziell heisst es nur, die Änderungen gingen auf Wünsche von Marktteilnehmern zurück, die an einer Online-Umfrage teilgenommen haben.
Simulation im Netz
Kommenden Montag bereits startet die Börse eine Simulation der Neuordnung. Auf der Webseite dax-indices.com finden sich dann der MDax 60 Simu sowie der SDax 70 Simu. Einen Blick auf die Beispielrechnungen kann sich vor der Umstellung am 24. September lohnen. «Unternehmen in einem Index stehen im Rampenlicht», erklärt Kepler-Cheuvreux-Spezialist Lütke. «Das ist für viele Gesellschaften sicher eine Chance, neue Investoren anzuziehen.» Umgekehrt werden solche Unternehmen weniger gefragt sein, die aus den Indizes ausscheiden.
Bei der turnusmässigen Überprüfung der Indizes seitens der Deutschen Börse im Juni sind Scout24 , Delivery Hero und Puma schon in den MDax aufgenommen worden, Krones , Alstria Office sowie Stada rausgeflogen. Siemens Healthineers ist nun im TecDax. In den neuen MDax 60 dürften es Ströer und Ceconomy nicht mehr hineinschaffen. Bevor die neuen Indizes die alten ablösen, werden sie am 5. September bei der nächsten Überprüfung auf Basis der Ranglisten per Ende August erneut angepasst.
Spannend könnte es dann auch noch einmal im Leitindex werden. «Wirecard und United Internet bleiben bezogen auf die Indexumstellung spannende Kandidaten», erklärt Fondsmanager Etzel. «Beide Werte stehen vor einem möglichen Einzug in den Dax.» Damit würden diese Titel in den Fokus von Fondsmanagern und ETF-Anbietern rücken. Der Aufstieg könnte zulasten der Commerzbank gehen: Die Titel des Finanzinstitutes haben 2018 schon 30% verloren.